19 Apr Turbulente Tage nach den Enthüllungen um Kovac und Tuchel
Wenn mich Freunde oder Bekannte fragen, wie der Beruf eines Sportreporters so ist, antworte ich gerne: Es fühlt sich an wie eine nie endende Klassenfahrt! Einiges gehört zum Pflichtprogramm, aber: Du erlebst immer wahnsinnig viel Neues, lernst ständig interessante Menschen kennen und hast dazu jede Menge Spaß! Wenn Du Glück hast, sind auch ein paar gute Freunde mit Dir zusammen unterwegs. Denn das ist wichtig: Auch, wenn ich hier nur über mich schreibe, steht hinter jeder Geschichte, jedem Interview und jeder Nachricht ein Team. Wie Fußball ist Journalismus ein Mannschaftssport…
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich gerade in Madrid. Termin für die Vorberichterstattung zum großen Champions-League-Duell gegen Real nächste Woche. Es ist endlich Zeit, sich wieder voll auf Fußball zu konzentrieren. Vorab gab es ja noch ein paar zukunftsweisende Fragen beim FC Bayern zu beantworten.
Ich bin Ende März in Berlin mit der Nationalmannschaft. Eingeflogen gerade aus Düsseldorf nach dem Testspiel gegen Spanien, noch drei Tage bis zur Partie gegen Brasilien im Olympiastadion. Den einwöchigen Urlaub in Amsterdam habe ich schon vor Augen, als ich am Samstagnachmittag bei einem Telefonat endlich meine Wochen-Recherche bestätigt bekomme: Tuchel hat dem FC Bayern abgesagt!
Mein erster Gedanke: Kann ich diese Nachricht bis zur Mittwochs-Ausgabe von SPORT BILD halten? Zu groß, zu wichtig, zu viele Menschen involviert – all das schießt mir in diesem Moment durch den Kopf und mir ist klar: Diese News muss sofort raus! Unser Verlag hat glücklicherweise viele Blätter, um Geschichten zu publizieren. Ich trinke mein Bier am Gendarmenmarkt in der Sonne aus, werfe die Curry-Wurst-Schale weg und gehe zu Fuß auf direktem Weg ins Springer-Haus. Es gibt keinen Zweifel: Die Tuchel-Nachricht gehört in die „BILD am Sonntag“!
Der Aufmacher ist schnell geschrieben und das muss er auch, denn bald wird angedruckt. Im heutigem digitalen Zeitalter ist damit der Tag aber noch nicht beendet. Um 22 Uhr soll die Geschichte vorab rausgegeben werden. Das Warten bis dahin ist für Reporter die Hölle. Bleibt die Nachricht so lange exklusiv? Kommt uns eine andere Zeitung doch noch zuvor? Ich beschließe mich bei einem Konzert abzulenken. Mein lieber Kollege Walter setzt mich auf seinem Heimweg im Berliner Klub „Gretchen“ ab, wo an diesem Abend Amy Shark spielt. Dann warte ich an der Bar. Die noch weitgehend unbekannte australische Indie-Sängerin gibt gerade die Zugabe mit ihrem Hit „Adore“, als ich den Button auf meinem Iphone-Display drücke. Um Punkt 22 Uhr twittere ich: „Tuchel sagt nach Anfrage Bayern ab +++ Er geht zu einem Topklub im Ausland +++“. Daraufhin bestelle ich mir das letzte Bier (ein bayerisches!) des Abends, während sich der Saal allmählich leert.
Die folgenden Tage werden entsprechend turbulent. Am nächsten Morgen schaltet mich der „Doppelpass“ spontan von Berlin aus nach München in seine Sendung zu, um über die Hintergründe der Breaking-News zu erzählen. Kurz darauf habe ich einen Interview-Termin im Nationalmannschaftshotel „Hyatt“. Mein Gesprächspartner, der vorher schon feststand, ist passender denn je: Kevin Trapp, Torhüter von Paris Saint-Germain, dem zukünftigen Tuchel-Klub. Natürlich sprechen wir daher auch über den deutschen Trainer. Und einen Report für SPORT BILD über die Tuchel-Hintergründe habe ich bis Redaktionsschluss am Montagabend auch noch zu schreiben.
Dienstag ist Spieltag: Deutschland gegen Brasilien. Als Sportreporter darf man ab und an auch verrückte Ideen ausleben. Zwei Wochen zuvor sang ich bei einem Termin in Liverpool das Lied „Salah! Mané! Mané!“ mit Offensiv-Star Sadio Mané und stellte es anschließend auf unsere Kanäle wie auch auf Youtube. Es gibt darin die Zeile, in der es heißt „But we sold Coutinho“ und dass es gar nicht so schlimm sei, den Brasilianer angesichts des Trios Salah, Mané, Firiminho nicht mehr an der Anfield Road spielen zu sehen. Das Video zeige ich nach dem Brasilien-Match Coutinho selbst, der darüber nicht gerade begeistert ist (trotz des 1:0-Siegs). Er lässt mich abblitzen, was ein Kollege filmt. Auf Youtube bekomme ich für seine Reaktion 300000 Abrufe. Den furiosen 3:0-Erfolg von Klopps Liverpool-Trio (ohne Coutinho) über Manchester City mit Pep Guardiola werde ich schon entspannt in einem Pub im Amsterdam-Urlaub sehen…
Das Youtube-Video mit Coutinho
Natürlich kann ich es nicht lassen, auch während der freien Tage ein wenig zu recherchieren. Wer beim FC Bayern Trainer wird, interessiert mich ja selbst brennend. Weiter komme ich damit dennoch nicht. Am Arbeitstag zwei nach meiner kurzen Auszeit spielt der FC Bayern das Rückspiel gegen Sevilla in München. Vor dem Anpfiff werde ich zusammen mit meinem BILD-Kollegen Jörg vom skandinavischen Fernsehen interviewt. Jan Aage Fjortoft, Ex-Spieler von Eintracht Frankfurt und jetziger TV-Reporter, stellt mir die Frage nach dem zukünftigen Bayern-Trainer und ich muss live auf Sendung ehrlich zugegeben: „Wir wissen ihn nicht und wir sind uns nicht mal sicher, ob ihn der Klub schon weiß.“ Das wird sich keine 24 Stunden danach ändern.
„Kovac wird neuer Bayern-Trainer“ titeln wir am Freitagmorgen in BILD. Wie wir das im Laufe des Donnerstags erfahren haben, wird wohl auf immer unser Geheimnis bleiben. Eins kann ich aber ausschließen. Die Traumvorstellung, dass ein Bayern-Boss anruft und sagt „Herr Falk, ich verrate Ihnen jetzt den neuen Bayern-Trainer!“ – so etwas gibt es im realen Reporter-Leben leider nicht. Ich stelle zudem noch einmal für alle richtig, die es anzweifeln (Fredi Bobic, etc): Der FC Bayern gab uns nicht die Information. Der Rest ist Quellenschutz.
Was ich verraten kann: Als BILD und SPORT BILD am Donnerstagabend, um 21.30 Uhr, gemeinsam unsere Nachricht rausgeben, stehen mein Kollege Tobi und ich in der Münchner Halle Zenith und lauschen Ex-Oasis-Sänger Noel Gallagher bei einem kühlen Bier (ich twittere es während „In the heat of the moment“). Gallagher hat eine Fahne seines Herzensklub Manchester City über eine Box gehängt. Sein Verein war ja gerade im Viertelfinale der Königklasse ausgeschieden. Gallagher ruft zum Abschluss des Konzerts ins Mikro: „Viel Glück für die Champions League, München!“ Ein guter Satz. Ab jetzt wird wieder über Fußball berichtet.
Und jetzt muss ich weiter zu meinem Interview-Partner!