23 Aug Der Lahm-Satz, auf den ich 15 Jahre gewartet habe
Wenige Meter trennen mich noch zur Lufthansa-Lounge, als mich eine Stimme hinter mir aus dem SMS-Tippen hochschrecken lässt. „Ach, der Herr Falk ist auch auf dem Weg zu seinem Gate…“ Erst dann erkenne ich Philipp Lahm, der seine Kappe tief ins Gesicht gezogen hat. Das Siezen ist eine Marotte, die Philipp bei mir seit 15 Jahren anwendet, auch wenn wir natürlich längst per Du sind. Ich habe ihn dabei schon immer geduzt, aber als er 2002 zum Profi-Kader stieß, wählte er noch die respektvolle Sie-Form gegenüber dem Reporter, der schon ein bisschen länger als er im Geschäft war. Sie benutzt er scherzhaft bei mir noch heute, bis er kurz darauf ins Du verfällt. Dass ich am Flughafen bin, ist für Philipp natürlich auch keine Überraschung, denn ich begleite ihn ja zu seiner Ehrung bei unserem Award am Montagabend in Hamburg: Lahm wurde von den Lesern von SPORT BILD zum „Star des Jahres gewählt“.
Philipp und ich sehen uns zum ersten Mal seit seinem Rücktritt, als ich ihn per Handschlag und den ehrlich gemeinten Worten „Es war mir eine Ehre“ aus der Allianz Arena verabschiedet hatte. Alles liegt so nah zurück, dass es sich anfühlt, als würden wir wieder einmal gemeinsam zu einem Champions-League-Spiel fliegen. Nur dass ich statt in der für die Journalisten reservierte letzten Reihe im Bayern-Flieger heute neben ihm ganz vorne sitze. Philipp auf 2A, ich 2C.
Die Situation ist neu für uns, da wir ansonsten ja doch am Ende meist über den FC Bayern oder die Nationalmannschaft reden mussten. Heute geht es mal um Musik (wir beide hören gerne österreichische Bands) und Kinder (wie lange brauchen wir um die Playmobil-Geschenke aufzubauen). Das Thema Kinder wird uns auch beim Award noch begleiten.
Bevor Philipp als zweiter Preisträger von Moderator Alexander Bommes auf die Bühne gebeten wird, kommt ein Film mit den Highlights seiner Karriere. Der Fakt, dass er als Verteidiger in der Bundesliga nie Rot sah, verblüfft mich noch immer. Dann folgt im Clip meine Laudatio, die ich in der Vorwoche in Hamburg aufgenommen habe. Bei seiner letzten Pressekonferenz als Bayern-Profi sagte Philipp Lahm, dass bei seiner ersten Einwechslung 2002 (90. Minute, 3:3 gegen Lens) wohl noch keiner der anwesenden Reporter im Olympiastadion auf der Presse-Tribüne gewesen sei. Die Laudatio gibt mir die Gelegenheit, das richtig zu stellen. Ich erinnere mich gut, wie ich Philipps Einwechslung am Telefon in die Redaktion für die Ausgabe am nächsten Morgen durchgab, was ich nun unter anderem erzähle. Dafür hatten wir ein Tastentelefon, das in einer Metallbox fest am Platz montiert war. Nur wer den Schlüssel dazu hatte, konnte es benutzen.
Ich warte hinter der Bühne im Dunkeln auf meine Begleitung, mit der ich Philipp den Award rausbringen werde: Nico Rosberg wird von Weltmeister zu Weltmeister Lahm die Ehre erweisen. Ich kenne den zurückgetretenen Formel-1-Fahrer noch nicht. Als ihn eine Hostess zu mir führt, spricht Philipp vorne gerade von seinen Kindern. Nico hört aufmerksam zu, fragt mich dann, wie lange die Geburt von Lahms zweitem Kind denn her sei. Als ich ihm sage, dass dies erst vor zweinhalb Wochen war, strahlt Rosberg und zeigt auf seine Uhr: „Bei mir kann es auch jederzeit so weit sein.“ Nun sind wir es, die über Kinder reden. Als wir kurz darauf auch auf der Bühne sind, knüpft Rosberg direkt daran an. Er freue sich, ebenso wie Philipp, im Hotel mal eine Nacht durchschlafen zu können. Der Lacher des Publikum ist ihm damit sicher.
Das nächste Mal sehen wir uns hinter der Bühne eine Stunde später. Die Verleihung ist zu Ende, nun werden mit allen Preisträgern Fotos gemacht. Box-Weltmeister Wladimir Klitschko gesellt sich zu uns. Philipp, der noch auf der Rückseite der erhöhten Bühne steht, lacht selbst darüber, dass er nun mal auf Augenhöhe mit Klitschko reden könne. Wladimir spricht mit uns über: Kinder natürlich.
Drei Weltmeister und ein Reporter – und dennoch geht es ausnahmsweise mal nicht um Sport. Ein wunderbarer Moment. Dann aber meint Philipp zu mir: „Jetzt möchte ich aber endlich mal ein Bier.“ Ich strahle ihn an und antworte: „Philipp, das ist der Satz, den ich schon seit 15 Jahren mal von Dir hören will.“ Dann gehe ich los und hole die erste Runde. Die Award-Party war damit für uns offiziell eingeläutet.
Runde mit lieben Wegbegleitern (von links): Max Breitner, Tobias Altschäffl, Philipp Lahm, Holsten Pilsner, Sven Westerschulze