26 Jan. So tickt Sandro Wagner im Interview
Sandro Wagner lächelt breit, als er die Interview-Kabine an der Säbener Straße für sein erstes Exklusiv-Interview seit seinem Wechsel nach München betritt. „So sieht man sich wieder!“, begrüßt er mich, bevor er sich meinem um acht Jahre jüngeren Kollegen Tobias Altschäffl zuwendet: „Auch Du warst damals schon Reporter. Mein Namensgedächtnis mag nicht so gut sein, aber ein Gesicht vergesse ich nie!“ Damals, das war die Saison 2007/2008. Die Genugtuung ist zum Greifen spürbar: Wagner ist stolz, dass er fast zehn Jahre nach seinem Abschied vom FC Bayern den Sprung in die Profi-Mannschaft des Rekordmeisters geschafft hat. Er sagt es selbstbewusst und frei heraus: „Dieses Ziel habe ich nie aus den Augen verloren!“
Wagner ist geborener Münchner, spielte seit seinem siebten Lebensjahr für die Bayern. Mit 19 Jahren stand er erstmals an der Schwelle zu seinem großen Ziel: Der junge Stürmer trainierte an der Seite von den namhaften Konkurrenten Miroslav Klose, Luca Toni und Lukas Podolski. „Und dazu Jan Schlaudraff, der auch als hängende Spitze spielen konnte“, ergänzt er. Trainer Ottmar Hitzfeld benutzte für Wagner den Begriff „Wandspieler“. Ein Stürmer, der mit dem Rücken zum Verteidiger die Bälle annimmt, verarbeitet und zurück legt. Der Begriff hängt ihm heute noch ein wenig nach. Doch nach seinem ersten Auftritt bestätigte ihm Jupp Heynckes, dass er kein Stürmer mehr ist, der nur vorne drin auf Bälle wartet, sondern auch viel nach hinten arbeitet. Dafür hat Sandro Wagner seine ganze Karriere hart gearbeitet.
Nach elf Jahren beim FC Bayern suchte der Angreifer seine Chance bei Duisburg, Bremen, Kaiserslautern, Hertha BSC, Darmstadt und Hoffenheim. Sechs Klubs in fast 10 Jahren. Während er sich als Bundesliga-Profi etablierte, musste er zusehen, wie sie seine U21-Europameister-Kollegen Neuer, Boateng, Hummels, Höwedes, Khedira oder Özil Erfolge mit der Nationalmannschaft feierten. Er selbst hatte Pech: Zwei Monate dem nach gemeinsamen Titelgewinn 2009 in Schweden riss er sich das Kreuzband. „Dadurch habe ich eineinhalb Jahre verloren. Das haut einen jungen Spieler schon mal weg“, erinnert sich Wagner. Er weiß worauf wir hinauswollen. Dass er beim FC Bayern noch einmal vor uns sitzt, haben die wenigsten geglaubt. Lange Zeit wohl nur Wagner selbst.
Nun ist es der Stürmer, der im Interview die Initiative ergreift und uns Journalisten den Spiegel vorhält. Und wie wir bald merken, völlig zu Recht. Als Bayern-Reporter würden wir jeden Tag im Training vor Ort die Creme da la Creme sehen. Es gäbe aber auch eine Welt außerhalb der Säbener Straße, mahnt uns Wagner, und die heiße: Bundesliga-Mittelmaß. Unabhängig von dem Begriff sei dort das Niveau auch sehr hoch! Sich darüber zu beschweren, ein „normaler Bundesliga-Spieler“ zu sein, sei Jammern auf hohem Niveau. So leidenschaftlich wie er argumentiert, steht außer Frage: Auch ohne die Erfüllung seines großen Traums FC Bayern wäre der 30-Jährige mit seiner Laufbahn glücklich gewesen.
Wagner hat sein Umweg zum FC Bayern jedoch weiter gebracht, als er vielleicht selbst lange gedacht hatte. Spielerisch wie charakterlich.