30 Jan. Nix Specki! Darum ist „Balu Süle“ ein bäriger Verteidiger
Der Mann ist ein Schrank, was sage ich, er ist ein Bär. Wenn ich Niklas Süle spielen sehe, denke ich unweigerlich immer an „Balu“ aus dem Dschungelbuch, der seine Ziele mit Ruhe und Gemütlichkeit am Ende doch immer erreicht. Nur ist „Balu Süle“ schneller, viel schneller. Aber ebenso gewaltig. Beim Confed Cup in Russland lernte ich ihn erstmals kennen und er gewann bei mir auf Anhieb Sympathie-Punkte. Frisch von der Leber weg erzählte der damals 21-Jährige, er habe wohl im Urlaub zu viel Pizza und Burger gegessen. Aber so sei es nun mal, denn – Zitat: „Ich bin halt ein Lebemann.“ Solche aufrichtigen Worte hört man heute nur noch selten von einem jungen Fußball-Profi.
Süle erscheint zum Termin nur im T-Shirt, dabei ist es in dem Interview-Raum ziemlich kühl. Alle anderen Kabinen sind belegt und der Backup-Raum nicht beheizt. „Willst Du keine Jacke anziehen? Wir wollen nicht, dass Du dich wegen uns erkältest und am Ende ausfällst“, frage ich, füge scherzend an: „Bei unseren Fragen wird Dir aber schon noch heiß.“ Tatsächlich habe ich ernsthafte Bedenken, dass der Nationalverteidiger Schnupfen bekommt. Niklas wischt meine Sorge beiseite. Wenn ich ihn so im T-Shirt vor mir sitzen sehe, komme ich nicht umhin, ihm eine Frage zu stellen, die mich schon seit dem Confed-Cup im Sommer beschäftigt. Im Teamquartier in Sotchi schoss ihn ein Fotograf beim Tennis mit nackten Oberkörper ab. Selbst seine Kollegen schmunzelten über das Bäuchlein, das sich auf der Aufnahme abzeichnete. Hat er selbst das Bild denn gesehen? Und wenn ja, findet er so etwas scheiße? Also frage ich ihn.
Süle könnte nun wirklich verschnupft reagieren, stattdessen aber lacht er. Klar habe er das Bild gesehen, es sei ihm ja auch oft genug zugeschickt worden. Wenn ihn so etwas irritieren würde, hätte er sich ein T-Shirt angezogen, sagt er. Einen Waschbrett-Bauch hätte er auch heute noch nicht und an Robert Lewandowskis Figur käme er auch in absehbarer Zeit nicht so schnell ran. Süle stellt klar: „Specki“ habe ihn aber in der Kabine noch keiner gerufen und solange mache er sich in dieser Hinsicht auch keine Gedanken. „Ich denke, dass meine Figur schon okay so ist“, sagt Niklas locker. Sein Gewicht wird mit 97 Kilo angegeben. Ein echt bäriger Typ. Wir unterbrechen das eigentliche Interview-Thema, reden stattdessen über seine Physis.
Er weiß, dass er kein Bolt sei, aber er sei schnell, ist Süle sich bewusst. Als Zehnjähriger hätte er im Leichtathletik-Team der 50-Meter-Sprinter trainiert. Er musste sich wie jeder Profi irgendwann mal entscheiden, und seine Wahl fiel natürlich auf Fußball. Und wieder war es seine Physis, die als erstes ins Auge stach. „Ich war in der U15 schon 1,88 Meter, in der U19 1,93 Meter groß“, erzählt Süle, der inzwischen 1,95 Meter misst. Körperlich war er seinen Gegnern meist überlegen. Deshalb sei ihm oft nachgesagt worden: „Der kann das jetzt, der ist jetzt besser – aber nur, weil er größer ist! Irgendwann wird es nicht mehr reichen!“ Das durfte er sich seine ganze Jugend lang anhören. „Ich bin froh, dass ich all diese Kritiker vom Gegenteil überzeugen konnte“, sagt Süle nun mit Genugtuung.
Eine Gemeinsamkeit mit Lewandowski hat Süle unabhängig vom Waschbrettbauch dennoch. In der Jugend war er lange Stürmer. Xaver Zembrod, der heutige Co-Trainer von Leverkusen und damalige Hoffenheimer-Jugend-Coach schulte ihn um. „Ich spielte eigentlich noch in der U15, durfte unter ihm aber dann in die U17. Als jüngerer Spieler dabei zu sein bedeutete mir alles, von daher habe ich auf die Position gar nicht viel wert gelegt“, erinnert sich Süle. Von diesem Zeitpunkt an sei er nur noch Abwehrspieler gewesen. „Zum Glück! Ich weiß nicht, ob ich so ein guter Knipser wie Lewy wäre, deswegen bin ich hinten schon besser aufgehoben.“
Immerhin: Am ersten Spieltag führte Süle kurzeitig die Torjägerwertung gegen Lewandowski nach seinem Kopfball-Tor zum 1:0 gegen Leverkusen an. 44 Minuten später schloss „Lewy“ per Elfmeter schon wieder auf. In Größe und Gewicht liegt „Balu Süle“ jedoch weiter vorn.
Das Interview mit Niklas Süle lest Ihr in der aktuellen Ausgabe von SPORT BILD.