25 Mrz On Tour: 192 Stunden mit der Nationalelf
In meinem Blog möchte ich Euch immer einen kleinen Blick hinter die Geschichten der Geschichten geben, die wir Tag für Tag (BILD), Woche für Woche (SPORT BILD und BILD am Sonntag) veröffentlichen. In dieser Folge geht es um den Mikro-Kosmos Nationalmannschaft, in dem wir Reporter uns in einer Länderspielwoche bewegen.
Sechs Uhr morgens geht am Montag der Wecker, nachdem wir bis 2 Uhr nachts an der Hotel-Bar die Themen für die Nachberichterstattung zum Sieg über Holland für die nächste BILD-Ausgabe beschlossen haben. Da entgeht einem schon mal ein Passagier am Flughafen, der mich bei der Sicherheitskontrolle rechts überholt. „Sagt Ihr nicht mehr guten Morgen?“, grüßt ein quietschfideler Joshua Kimmich, der gerade seinen Koffer auf das Band legt. Dabei kann der kaum weniger lang geschlafen haben als ich! Rechts von mir räumt Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff seine Taschen aus, der augenscheinlich wohl schon eher meine Frühmorgens-Stimmung teilt. Hinter dem Körperscanner erwartet uns Niklas Süle. Und auch Timo Werner ist auf dem Weg zum Gate. Der Frühflug LH2301 von Amsterdam nach München hat eine hohe Nationalspieler-Dichte!
Länderspielreisen sind immer mit vielen interessanten Begegnungen verbunden, aus denen sich oftmals die ein oder andere Geschichte ergibt.
Zum Zeitpunkt des Rückflugs nach München sind wir schon acht Tage unterwegs. Der erste Flug ging nach Hannover für die Anreise zum Nationalmannschaftstreffpunkt in Wolfsburg. Ich biege also am Montag vor einer Woche gerade mit unserm Reporter-Team aus München am Gate ein, als ich im hinteren Wartebereich einen alten Bekannten entdecke. Lothar Matthäus lehnt lässig im Schalensitz und telefoniert, bedient zwischendurch freundlich Selfie-Wünsche. Nicht nur wegen seiner langjährigen Kolumne bei SPORT BILD kennen Lothar und ich uns gut. Schnell ist man ihm Fußball-Gespräch, das an Bord weitergeführt wird. Matthäus ist nicht nur Rekordnationalspieler, sondern auch Ehrenkapitän des DFB. Umso mehr überrascht mich seine Aussage zu Manuel Neuer im Torwart-Duell mit Marc-André ter Stegen. Matthäus ist der Meinung: „Die Kapitänsbinde darf nicht darüber entscheiden, ob du spielst oder auf der Bank sitzt.“
Die erste Story fliegt uns auf 10000 Metern Höhe zu. In BILD titeln wir am nächsten Tag im Sport: „Neuer oder ter Stegen – Matthäus: Kapitäns-Binde darf nicht entscheiden.“
Mit dem Mietwagen geht es nach der Landung weiter nach Wolfsburg. Wir sind nicht die einzigen Fußball-Gäste im Hotel Leonardo. Beim Frühstücks-Buffet treffen wir auf DFB-Präsident Reinhard Grindel und seinen Vize Rainer Koch. RTL-Experte Jürgen Klinsmann sitzt am Nebentisch und am Tag des Spiels wird auch noch Philipp Lahm einchecken. Die Welt ist klein, die Fußball-Familie groß.
Bundestrainer Jogi Löw hält am nächsten Tag seine erste Pressekonferenz vor Ort. Uns interessiert, wie er darauf reagieren wird, wenn ihn sein alter Vorgesetzter Jürgen Klinsmann nach dem Spiel gegen Serbien als Experte befragt. Nach der PK spreche ich Löw darauf an. Der Bundestrainer freut sich richtig auf die Begegnung mit seinem Ex-Chef. „Das wird gute Dialoge im Studio, kein der gegen den geben“, sagt Löw. „Er ist ja nicht der einzige TV-Experte. Der Jürgen sagt das und der Lothar dann das…“ Lothar? Matthäus ist natürlich eine Vorlage. Ich konfrontiere den Bundestrainer mit unserem Matthäus-Bericht. Löw dazu: „In dem Punkt gebe ich Lothar Recht. Am Ende darf die Binde keine Rolle spielen, allein die Leistung ist wichtig.“ Aus der Klinsmann-Geschichte wird plötzlich der Weiterdreh unserer eigenen Story.
Am nächsten Tag titeln wir in BILD: „Neuer oder ter Stegen – Löw: Ja, die Binde darf keine Rolle spielen“.
Mittwoch ist Spieltag. Beim Frühstück führe ich ein kurzes Interview mit Klinsmann zu seiner neuen Experten-Rolle („Das will Klinsi anders machen als Lehmann“). Es wird ein langer Tag, denn nach dem 1:1 gegen Serbien geht die Arbeit für uns Reporter in die Verlängerung. Spieler-Interviews in der Mixed-Zone, danach das Programm für den nächsten Tag besprechen. Fast den kompletten Donnerstag verbringt unser fünfköpfiges Team schreibend im Hotel. Nur einer fehlt: Mein Kollege Tobi nimmt den 6-Uhr-Zug nach München, für einen Termin mit Mats Hummels. Das Gespräch hatten wir schon vor Wochen für die Nationalmannschaft mit ihm vereinbart. Doch da machte uns Jogi Löw einen Strich durch die Rechnung. Trotz der neuen Situation hält Mats sein Wort. Zusage ist Zusage. Stark von ihm!
Für Tobi heißt das an einem Tag: viereinhalb Stunden Hinfahrt, Interview, viereinhalb Stunden Rückfahrt – auch das gehört zum Reporter-Leben. Doch dieser Termin war es definitiv Wert.
Zum Abendessen ist Tobi rechtzeitig wieder zurück und wir verpassen in der Stadt nur knapp Marc-André ter Stegen, der vor uns im Café „Superleggera“ und dann im „Eat with Heart“ war. Die Welt mag klein sein, das Nachtleben von Wolfsburg ist winzig.
Freitag steht dann ein Interview-Termin beim DFB an. Serge Gnabry nimmt sich Zeit für ein Gespräch mit BILD. Der Bayern-Profi wird zum journalistischen Glücksfall für uns werden, da er am Sonntag gegen Holland einer der Spiel-bestimmenden Stars wird. Zudem verrät er seine neue vegane Ernährung.
Bei BILD taufen wir ihn augenzwickernd: VeGnabry!
In BILD am Sonntag erscheint unser großes Zukunfts-Interview mit Oliver Bierhoff, das wir vorproduziert haben. Der Nationalmannschaftsdirektor schreibt für das Seitenfoto das neue DFB-Motto „Zurück an die Weltspitze!“ an eine Tafel. Da ahnen wir noch nicht, wie schnell der Weg dahin zumindest für einen Spieltag gehen wird. Am Abend schlägt Deutschland die Holländer tatsächlich 3:2!
Wir titeln in BILD: „Unser schönster Sieg seit Brasilien!“
Der Rückflug LH2301 wird übrigens am Ende eineinhalb Stunden Verspätung haben. Die Zeit nutzen wir, um die nächsten Geschichten zu schreiben. BILD erklärt, wie der Bundestrainer die Mannschaft wieder zurückgewann. In SPORT BILD blicken wir in einem Inside-Report hinter die verschlossenen Türen des Teamhotels, beschreiben wie der Bundestrainer hinter den Kulissen in der Länderspiel-Woche wirkte.
Die letzten Zeilen tippe ich schon wieder am eigenen Schreibtisch in den Computer. Acht Tage, ganze 192 Stunden im DFB-Kosmos – alles für zweimal 90 Spiel-Minuten. Und ich kann ehrlich sagen: Keine Sekunde davon war langweilig!