08 Dez A ’Schau, der Alonso
Der „Stern des Südens“ erklingt in der „Lola Bar“, dann betritt Xabi Alonso den Kellerraum. Die 64 Mitglieder des Fanklubs „Priental-Bayern“ und noch zwei Dutzend Gäste jubeln dem Bayern-Profi zu. Ein Maler aus einem Nachbarort hat den Spanier portraitiert und auf dem Podium verewigt, wo er nun Platz nimmt. Ein kurzer Blick in die Runde, ein kurzes Stutzen, dann ein Nicken mit Augenzwinkern als Alonso mich bei Weißbier und Weißwürsten an der Bar neben sich entdeckt. Im Dörfchen Aschau im Chiemgau hatte der Profi keinen Reporter aus München erwartet. Dass ich nur elf Kilometer entfernt wohne, sage ich ihm erst später. An der Theke ging zu meinen Teenager-Zeiten schon der ein oder andere Abend zu Ende. Damals gab es hier noch keine Bayern-Schals oder „Mir san Uli“-Bilder, dafür die letzten Getränke im Umkreis von gut 20 Kilometer. So etwas nennt man dann wohl Heimspiel.
Bei einem Fantreffen kann auch ein Reporter noch viel für interessantes Fragen lernen. Vor allem von Kindern. Ein Junge entlockt dem 34-jährigen Profi, dass er drei Autos hat. „Mein Lieblingsauto ist der Oldtimer von Mercedes“, sagt Alonso. Ob er mir das in einem offiziellen Interview wohl auch verraten hätte? Wohl kaum. Bayerns offizieller Sponsor ist Audi. Nächste Frage: Zieht er in der Kabine Arjen Robben auf, weil er mit Holland die EM verpasst hat? Alonsos Blicke und Lachen zeigen: Aber definitiv! Sagen wird er: „Für Arjen ist das wirklich schwer.“ Und fügt an: „Aber für Deutschland ist das eine große Chance!“ Nun gewährt er den Anhängern Einblicke in die Sehnsüchte eines zweifachen Europa- und einmaligen Weltmeisters: „Ich freue mich darauf, die EM als Fan vor dem Fernseher anschauen zu dürfen. Das hatte ich lange nicht und werde ich genießen.“
Es folgt im Programm: Wettnageln, Autogrammstunde und Geschenk-Übergabe: Alonso bekommt einen Schirm sowie ein Werbe-Handtuch des Tourismusverbandes mit dem Slogan „Aschau is A’Schau!“. Priental-Präsident „Done Huber“ versichert: „Damit bist Du in der Bayern-Kabine der King!“ Alonso versteht den Scherz auch auf bayerisch bestens.
Jetzt ist Zeit für das Interview in der Wirtstube des „Ratskellers“ im Erdgeschoss. Alonso hat den Dorf-Besuch sichtlich genossen, er ist entspannt. Während er sonst zu seiner Zukunft schweigt („Im Moment bin ich fokussiert auf die Saison“), öffnet er sich in der gemütlichen Atmosphäre (Interview in der kommenden SPORT BILD-Ausgabe am Mittwoch). Er plaudert auch mit einem kleinen Fan, meinem Sohn. Alonso fragt nach Alter, Leidenschaften und stellt fest, dass auch sein Sohn acht Jahre alt ist und ebenfalls in der F-Jugend Fußball spielt, im Münchner Vorort Grünwald. Während wir das Interview auf Englisch geführt haben, lässt er sein inzwischen sehr gutes Deutsch aufblitzen. Zwei- bis dreimal die Woche nimmt er Unterricht, verrät der Spanier. Jetzt sage ich ihm auch, dass ich nicht aus München, sondern nur aus dem Nachbarort angereist bin. Alonso schmunzelt. Scherzhaft erwidere ich, dass ich schließlich auch zu Arjen Robben hätte fahren können. Der ist beim Fanclub in Traunstein, keine halbe Stunde entfernt. Alonso versteht auch diesen Spaß: „Dann freue ich mich, dass Du hier bei mir warst…“ Zum Abschluss posiert er mit Aschau-Schirm und einem FC Bayern-Bankerl als wäre es die spanische Treppe. A Schau‘, der Alonso.
In den kommenden Tagen sehe ich im Internet die Bilder von Alonsos Landsleuten bei anderen Fanclubs. Auch Juan Bernat durfte Wettnageln, der Baske Javi Martinez erlebte einen bayerischen Feuerschlucker und Katalana Pep Guardiola versuchte sich im Maßkrug-Stemmen. Als ich den Trainer am vergangenen Freitag in der Presserunde darauf anspreche, zucke ich zunächst zusammen. Zu meiner Überraschung klatscht mir Guardiola plötzlich herzlichst mit der Hand auf den Oberschenkel und dreht sich mir mit dem Stuhl zu. Der sonst eher zurückhaltende Coach wird richtig enthusiastisch, seine Augen leuchten während er erzählt. „Das war verrückt!“, sagt Pep. „Die wollten, dass ich das zwei Minuten schaffe.“ Guardiola fasst sich an den Oberarm. „Dafür muss ich wohl erstmal ins Gym.“ Der Spanier schwärmt über die bayerischen Traditionen und der des FC Bayern, seines Fans zu besuchen. „Früher haben wir das beim FC Barcelona auch gemacht“, sagt er und sein Blick verrät, dass er gerade an alte Zeiten denkt. „Die letzten Jahre gab es das dann aber nicht mehr.“ Vielleicht bleibt Guardiola den bayerischen Traditionen ja doch noch gerne ein paar weitere Jahre erhalten. Weil sie einfach a’Schau sind!