12 Nov Auf Reisen mit der Nationalmannschaft
Der Abschluss des Länderspiel-Jahres hat es noch mal in sich. Die Reiseroute: Berlin – London – Köln. Gegner sind England und Frankreich. Fußball-Herz, was willst Du mehr!
Die Auftaktveranstaltung steigt hinter Gittern. Adidas hat zur Vorstellung des neuen WM-Trikots in eine Berliner Halle geladen, die so eingerichtet wurde, wie man sich die dunkelsten Ecken der Bronx vorstellt. Die Spieler kicken in Käfigen. Auf der Bühne brüllt ein Moderator, den man gut und gerne mit Leroy Sané verwechseln könnte. Alles ziemlich cool, Street-Charme eben. Für mich, der das Kicken auf einem Sandplatz zwischen bayerischen Wiesn lernte, verbindet das aber wenig mit meinem damaligen 1990er-Trikot (das Design war einfach auf ein T-Shirt gedruckt), dem das neue Jersey nachempfunden worden ist.
Toni Kroos gefällt es, er trägt ja auch seine Schuhe stets in weiß. Barca-Profi André ter Stegen erinnert es zu sehr an das königlich-weiße Dress von Erzrivale Real. Und Ilkay Gündogan sagt ehrlich, dass es nicht ganz seinen Geschmack trifft. Nostalgie bewegt ihn ebenfalls nicht. Den Elfmeter-Treffer von Andi Brehme im WM-Finale in Rom 1990 gibt er offen zu, nicht gesehen zu haben. Und wenn auch ich ehrlich bin: Das Trikot ist einfach das gleiche wie 1990, nur in schwarz-weiß statt schwarz-rot-gold – und eben die Einführung der Farben war die damalige Sensation! Viele Fragen bleiben da nicht offen, schnell erschöpfen sich die Meldungen der Kollegen.
„Falki, frag Du doch mal was“, sagt Toni Kroos und hält mir sein Mikro scherzhaft entgegen. Toni weiß, dass ich selten Fragen bei Pressekonferenzen stelle, da ich durch das spätere Erscheinungs-Datum von SPORT BILD als Magazin die Spieler lieber alleine für exklusive Aussagen spreche. Sein Gag gelingt. Alle schauen jetzt zu mir und mir bleibt nichts anderes übrig, als das Angebot freundlich abzulehnen. Punkt für Dich, Toni.
Ilkay Gündogan lacht sich dazu eins, klatscht mich tröstend ab. Noch am Sonntag zuvor haben wir ein Telefon-Interview zum anstehenden Länderspiel gemacht.
So denkt Gündogan über die Unterschiede zwischen Premiere League und Bundesliga
Am Mittwoch habe ich einen Termin mit Jerome Boateng im Mannschaftshotel „Stue“. Länderspiel-Absage gegen England und Frankreich, dazu Ärzte-Zoff bei Bayern – es gibt viel zu besprechen.
Die Vorab-Meldung zu Jeromes Verletzung und seine Meinung zum Ärztestreit bei Bayern
In der Lobby läuft mir Sandro Wagner über den Weg und es ist Zeit für unseren Running-Gag. „Sandro, pass bloß auf! Am Freitag wirst Du wieder knallhart benotet!“ Es ist ein Spielchen zwischen uns, seit er in einem Testspiel von mir eine Fünf bekam und sich danach halb im Ernst, halb Spaß darüber mokierte. „Was muss ich diesmal machen, damit ich keine Fünf bekomme? Vier Tore gegen England schießen?!“, fragt Sandro und lacht, worauf ich erwidere: „Das wäre ehrlich gesagt schon besser für Dich! Ansonsten wird’s wieder schwer…“ Sandro hat Humor, kurz darauf reden wir schon wieder über seine Zeit als Talent beim FC Bayern. Ich stand als Reporter am Zaun des Trainingsgeländes, als Ottmar Hitzfeld ihn für die Einheiten zu den Profis dazu holte. „Für Dich hat Hitzfeld den Begriff ,Wandspieler‘ eingeführt“, erinnere ich Sandro. Er nickt: „Ja, das ist lange her.“ Dann verabschiedet er sich in den Fahrstuhl zusammen mit Lars Stindl.
Jetzt biegt Jo Kimmich um die Ecke. Seit kurzem weiß ich, dass er großer Fan von der Serie GZSZ ist. Bei den DFB-Dreharbeiten für die Marketing-Filme am Dienstag, lief doch tatsächlich sein Lieblingscharakter „Jo Gerner“ vom Neben-Set vorbei und machte ein Foto zusammen mit Jogi Löw. „Hast Du das arrangiert?“, rufe ich ihm zu. Kimmich schmunzelnd: „Du siehst, ich mache jeden zum GZSZ-Fan…“ Vielleicht sollte ich mir ja tatsächlich auch mal eine Folge davon anschauen…
Das Spiel in Wembley wird anschließend nicht der Klassiker, wie wir ihn uns alle versprochen haben. Aus Langweile falten die englischen Fans Papier-Flieger und schicken sie unter Applaus Richtung Rasen. Auch ich bastle einen aus der Aufstellung, komme aber damit nicht mal über die Presse-Tribüne hinaus. Bleibt die Hoffnung, dass es am Dienstag gegen Frankreich spannender wird.
P.S. Wagner wurde in 73. Minute eingewechselt, konnte keine entscheidenden Aktionen mehr setzen. So leid es mir tut: das war Note 4, Sandro