12 Nov Hoeneß: „Ein Philosoph hat einmal gesagt: ,Ich weiß, dass ich nichts weiß‘“
Wehe, wenn der Anruf unterdrückt ist. Für mich heißt das immer: Entweder meldet sich mein älterer Nachbar (zuletzt: Regenrinne läuft über). Oder: Es ist Uli Hoeneß!
Die Abteilung Attacke ruft nur selten an, um zu loben. Wie so ein Gespräch abläuft, erfuhren zuletzt meine lieben Kollegen Marco Fenske (Hoeneß: „…der ja keine Ahnung hat“) und Kai Traemann (BILD-Chefredaktion), die am vergangenen Sonntag beim Sport1-Doppelpass zu Gast waren. Spätestens jetzt wissen sie: Uli Hoeneß sieht alles! Auch meine Live-Schalte eine Woche zuvor in der BR-Sendung „Blickpunkt Sport“ entging ihm nicht.
Mein unterdrückter Anruf erfolgte nicht live in der Sendung, sondern erst vier Tage darauf auf meinem Handy. Moderatorin Julia Scharf interviewt mich sehr nett per Telefon-Schalte, nachdem wir bei BILD eineinhalb Stunden zuvor exklusiv die Trennung des FC Bayern und Trainer Niko Kovac vermeldet hatten. Unsere Nachricht bestätigte der FC Bayern kurz vor der Sendung. Die Tatsache, dass ich die Details der Ereignisse im Fernsehen ausführte, gefiel Uli Hoeneß so gar nicht.
Telefonschalte bei „Blickpunkt Sport“
Wer glaubt, Uli Hoeneß reagiere mit etwas zeitlichem Abstand gelassener, täuscht sich gewaltig. Ich schätze ihn sehr dafür, dass er noch ein Bundesliga-Macher ist, der persönlich das Gespräch sucht, wenn ihn etwas ärgert. Einen Satz möchte ich daraus zitieren, da Herr Hoeneß auf ihn besonderen Wert legt. Er ließ mich wissen: „Ein Philosoph hat einmal gesagt: ,Ich weiß, dass ich nichts weiß‘“. „Sokrates“, ergänzte ich und denke mir den Zusatz des alten Griechen: „Aber ich suche die Wahrheit…“
Reporter-Sätze, die im TV mit „Ich weiß…“ beginnen, schätzt man in der Führungsetage des FC Bayern nicht. Daran erinnerte mich Karl-Heinz Rummenigge eindringlich bei der legendären „Grundgesetz“-Pressekonferenz, als er mich vor laufenden Kameras vom Podium herab rügte: „Der Protagonist sitzt ja in der ersten Reihe, der in jeder Sendung groß auftritt mit: Wir wissen, wir wissen ja immer, wir haben unsere Informationen… Da lache ich mich tot!“
Meinen Kollegen Uli Köhler (Sky) tadelte Hoeneß bei selbiger Veranstaltung als „Schlaumeier“. Überhaupt ist erstaunlich, wie kreativ das Bayern-Unikat mit seinen Titeln für Journalisten ist. Kai Traemann hatte Hoeneß diesmal beim Doppelpass-Anruf verschont. Vor Jahren ließ ihn der damalige Manager mit Nachdruck wissen, dass er vom FC Bayern so weit entfernt sei, „wie die Erde vom Mond.“ TV-Mann Christian Ortlepp rief Hoeneß in der Mixed-Zone „Gscheidhaferl“ (bayerisch für „Besserwisser“). Für mich hat Hoeneß die Anrede „Herr Oberstaatsanwalt“ exklusiv reserviert.
Ich weiß: Es kann den Bayern-Bossen nicht Recht sein, wenn durch Journalisten Interna an die Öffentlichkeit gelangen. So wie ich auch weiß: Die Klub-Chefs wiederrum wissen natürlich, Enthüllungen gehören nun mal zu unserem Job.
Wofür ich Herrn Rummenigge dabei dankbar bin und ihm nie vergessen werde, ist ein Rat, den er mir einst als Jung-Reporter gab. Ich bekam damals vor den Playoff-Spielen der deutschen Mannschaft zur WM 2002 Gegenwind für unsere Berichterstattung vom DFB. Die Stürmer-Legende, die als Berater mit der Nationalmannschaft reiste, hatte das registriert. Rummenigge nahm mich im Mannschaftshotel „Gravenbruch“ zur Seite und sagte mir: „Lassen Sie sich nicht einschüchtern. In einer Situation wie ihrer verdient man sich nur Respekt, wenn man Eier zeigt!“ Diesen gutgemeinten Rat versuche ich seither zu beherzigen. Manchmal vielleicht ein wenig mehr, als es den Klub-Verantwortlichen lieb ist. Ich weiß.
P.S. Am Montag, der Tag nach dem Doppelpass, durfte ich bei Servus TV „Talk im Hangar-7“ zu Gast sein. In dieser Fußball-Runde läuft man nicht Gefahr durch einen Anruf von Uli Hoeneß überrascht zu werden. Die Sendung wird nur in Österreich live ausgestrahlt. Wenn sie in Deutschland zwei Stunden später übertragen wird, sitze ich längst schon auf dem Heimweg im Auto.