Legenden schreiben Geschichte, wir Sportreporter schreiben sie auf
Persönlicher Fußball-Blog von Christian Falk - Fußball-Chef der BILD-Gruppe. Insider-Berichterstattung über den FC Bayern München und der DFB Nationalmannschaft.
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Legenden schreiben Geschichte, wir Sportreporter schreiben sie auf

Legenden schreiben Geschichte, wir Sportreporter schreiben sie auf

Es gibt viele Gründe, warum ich den Beruf des Sportreporters so liebe. Einer der wichtigsten: Du kommst den Fußball-Stars unheimlich nahe, kannst ihnen, alle Fragen stellen, die Dich schon immer interessiert haben. Die meisten davon landen natürlich in einen Interview. Einige Fragen sind ehrlich gesagt manchmal auch ganz persönlicher Natur.

Mit dem Learjet geht es von München nach Hamburg zum SPORT BILD-Award. Gebucht haben wir ihn für unsere beiden Preisträger. Neben mir sitzt Arjen Robben, den ich interviewe. Schräg hinter mir ist Robert Lewandowski, der meinem Kollegen Tobi Rede und Antwort steht. Bernadien Robben ist so nett ein Beleg-Foto von Arjen und mir zu machen. Dass eine Spielerfrau für uns als Fotografin tätig wird, ist eher die Ausnahme, zugegeben: eine sehr charmante. Der Platz in so einer Maschine ist eben beschränkt. Auch Anna Lewandowska ist mit an Bord.

Wir fliegen die Bayern-Stars ein, die als „Star des Jahres“ (Lewandowski) und mit dem „Sonderpreis der Chefredaktion“ (Robben) geehrt werden. Beide müssen noch in der Nacht zurück, weshalb Linienflüge nicht möglich sind.

Im Hotel, in dem sich die Preisträger und ihre Frauen für die Gala umziehen, treffen wir auf Horst Eckel (Award für sein Lebenswerk). Unseren 54-Weltmeister kennenlernen zu dürfen, ist ein Privileg. Seit dem Tod seines Nationalmannschaftskollegen Hans Schäfer 2017 ist Eckel der letzte noch lebende Spieler des „Wunders von Bern“. Wir reden über seine Anreise. Ein 54-Weltmeister fährt lieber traditionell im Auto. Lewandowski ist ähnlich von der Begegnung ergriffen wie wir. Später am Abend wird er – wie auch wir zuvor – Eckel nach einem gemeinsamen Foto fragen.

Zwei Tage später sitze ich neben Lothar Matthäus, diesmal nicht im Learjet sondern in seinem Mietwagen. Der Rekordnationalspieler ist so nett, mich vom Münchner Flughafen mitzunehmen. Wir beide kommen aus Berlin, wo Lothar für uns den Podcast „Phrasenmäher“ mit meinem Kollegen Kai Traemann aufgenommen hat.

Phrasenmäher mit Lothar Matthäus (kostenloser Podcast)

Hinter uns fährt Rudi Völler, der ebenfalls mit uns im Flieger war (wie auch Stefan Reuter). Sie sind auf dem Weg nach Salzburg. Ein kleiner Kreis der Weltmeister von 1990 hat beschlossen, Franz Beckenbauer zu besuchen. Es sind die Helden meiner Kindheit.

Ich trug in meinen Jugendmannschaften auf meinen Trikots stets die Nummer 8. Die Nummer von Lothar Matthäus – bis er 1988 zu Inter Mailand wechselte (auch beide Misura-Trikots werde ich haben, in blau-schwarz und weiß). Ich würde die 8 länger behalten als Lothar. Matthäus wechselte in Italien auf die 10. Ich verstand das damals nicht, für mich war Lothar eine, wenn nicht DIE Nummer 8. Ganze 31 Jahre trug ich die Frage mit mir rum, weil sie offenbar nur mir wichtig war. Diesmal stelle ich sie Matthäus: Wieso wechselte er seine 8 gegen die 10?

„Ich wollte die 10 ja überhaupt nicht“, eröffnet mir Lothar überraschend. Daraufhin erzählt er mir die Geschichte zu seiner Rückennummer.

Mit einer Ablösesumme von 8,4 Millionen Mark war Matthäus 1988 der Stareinkauf von Inter. Als er aber in die Kabine kam, sagte ihm Giovanni Trapattoni: „Deine 8 habe ich schon Nicola Berti gegeben.“ Lothar schildert die damalige Szenarie weiter, als wäre es gestern gewesen. „Dann nehme ich eben die 6“, bat er den Trainer. Trap hatte diese allerdings schon Andrea Mandorlini zugesagt. Ein bisschen enttäuscht und ratlos fragte Lothar: „Was für Nummern sind denn überhaupt noch übrig?“ Trapattoni entgegnete: „Die 10.“ Matthäus schüttelte den Kopf, sagte Trap dass dies nicht ginge. Lothar: „Platini ist ein 10er. Maradona ist ein 10er. Aber ich doch nicht! Wie sieht das denn aus? Ich bin kein Spielmacher, wie sie es sind.“ Trapattoni lächelte ihn an und meinte mit warmer Stimme: „Doch, Lothar. Du bist MEINE 10.“ In Zukunft ist Lothar nun auch meine.

Andi Brehme ist auch mit in Salzburg. Er ruft auf unserer Fahrt an. Über ihn sagte Rudi Völler, dass Brehme bis heute nicht weiß, ob er Rechts- oder Linksfuß ist. Etwas, was ich nie fassen konnte. Er selbst kann es tatsächlich nicht beantworten. „Das ist seit meiner Kindheit schon so. Ich erinnere mich nicht, dass ich ein Bein speziell trainieren musste“, sagt mir Andy. Ich fragte mich daher immer: Ist er denn Rechts- oder Linkshänder? Brehme löst zumindest dieses Rätsel für mich. „Ich schreibe und spiele Golf mit Rechts.“ Ich tippe daher: er ist auch Rechtsfuß. Zur Erinnerung: Den Elfmeter zum 1:0-Siegtor gegen Argentinien im WM-Finale 1990 schoss Brehme mit rechts (flach ins linke Eck).

Auch bei Rudi Völler hatte ich eine Frage, die mich brennend interessierte. Sie stellte ich aber seiner Frau Sabrina, die ihn begleitete. Otto Rehhagel mussten alle Spieler „Trainer“ nennen – selbst die Spielerfrauen. Wir stehen am Mietwagen-Schalter, als ich sie darauf anspreche. Sabrina lacht. „Ja, das ist wahr“, sagt sie. „Eines Tages sagte, Otto zu mir: Sabrina, Du musst nicht mehr ,Sie‘ zu mir sagen. Sag ab jetzt ‚Trainer‘“. Noch heute rufe Rehhagel bei Völlers an, und melde sich mit: „Hier spricht der Trainer.“

Wir alle haben unsere fußballerischen Idole. Robben und Lewandowski prägen unsere Kinder, wie Eckel es bei unseren Vätern getan hat und die Völlers, Brehmes und Matthäus‘ es bei mir. Eins haben diese Fußballer bereits jetzt gemein: Sie alle sind Legenden. Wir Sportreporter haben das Vergnügen, ihre Geschichten aufschreiben zu dürfen.