08 Nov Pep, der Bart und die Propheten
Der Samstagmorgen beginnt mit einer SMS. „Melde mich Mittag“, schreibt Felix Magath. Der Meister-Trainer (mit Bayern und Wolfsburg) hatte in unserem Gespräch in der Vorwoche angestoßen, dass der FC Bayern aufgrund seiner enormen Dominanz in eine Europa-Liga ausgegliedert werden soll. Die Meldung sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit. Darum hatten wir uns am vergangenen Donnerstag in einer Harlachinger Wirtschaft getroffen, um Magaths Zukunfts-Visionen in einem größeren Interview (erscheint kommenden Mittwoch in SPORT BILD) genauer zu erklären und detailliert auszuführen. Nun müssen wir noch kleine Änderungen besprechen, bevor der Artikel in Druck geht.
Um 15 Uhr bin ich in der Allianz Arena verabredet. Sebastian Müller, Leiter der Sky-Übertragung des Bundesliga-Spiels FC Bayern gegen den VfB Stuttgart, hat mich als Experte für die Halbzeit-Analyse eingeladen. Ich treffe gerade auf der Presse-Tribüne ein, als die Sky-Moderation um 15.11 Uhr eine Live-Schaltung aus Block 103 macht. Mit der Aufnahme-Leitung spreche ich die Abläufe ab und gehe dann auf den Platz, wo ich später abgeholt werden soll.
Ich sitze ausnahmsweise inmitten der TV-Reporter. ZDF-Moderator Jochen Breyer, den ich als Kollegen sehr schätze, hat mir einen Platz frei gehalten. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Journalisten aus verschiedenen Bereichen ein Spiel verfolgen. Während Jochen akribisch die Spielminuten notiert, um später die richtigen Sequenzen für seine Ideen zu seinem Sportstudio-Beitrag schneller zu finden, achte ich mehr auf das Verhalten einzelnen Spieler. Was passt in meine geplante Geschichte, was widerspricht ihr? Und wie agiert Pep Guardiola darauf an der Seitenlinie?
Zur Halbzeit stehe ich dann direkt am Rasen. Sky-Moderatorin Anna-Sara Lange befragt mich zum Spiel. Ich erzähle über meine Eindrücke, doch Reaktionen bekomme ich danach per SMS vor allem auf meinen Bart, den ich seit ein paar Wochen wieder einmal wachsen lasse. Ein Kollege schreibt mir das Beckenbauer-Zitat: „Ja ist denn heut‘ schon Weihnachten?“ Ich entscheide: Der Bart bleibt trotzdem dran und twittere zu meinem Foto mit Anna-Sara: „Die Schöne und … der Bart“.
Für mich beginnt die entscheidende Arbeit für meinen Report erst nach dem Schlusspfiff. Im Bauch der Allianz Arena stehen die Spieler für Gespräche zur Verfügung. Auf dem Weg dahin begegne ich im Gang Rafinha, der mir zuletzt im Interview von seiner anstehenden Prüfung für die deutsche Staatsbürgerschaft berichtet hatte. Ich frage ihn, wie es denn gelaufen sei? Ich weiß: Der Noch-Brasilianer hatte Ende Oktober nach seiner schriftlichen auch den mündlichen Test zu absolvieren. „Lesen, hören und reden“, erklärt mir Rafinha die Prüfungsgebiete.“In drei Wochen bekomme ich die Ergebnisse. Ich hoffe dann zusammen mit meinen Papieren.“ Ich verabschiede mich und sage ihm, dass ich ihn am 26. März beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen England erwarte: zu seinem DFB-Debüt. Denn für den anstehenden Länderspiel-Doppelpack gegen Frankreich (13.11) und Holland (17.11.) sei das ja dann wohl doch zu knapp. Rafinha lacht und man spürt sofort, dass er sehr gerne der Einladung folgen möchte.
Nach weiteren Kurz-Interviews treffe ich beim Hinausgehen auf Martí Perarnau, dem Guardiola-Biographen („Herr Guardiola“). Der ehemalige Leichtathlet wartet auf seinen Landsmann und Bayern-Trainer. Wir reden ein wenig über die noch ungeklärte Bayern-Zukunft von Pep. „Auch ich weiß ehrlich nicht, wie er sich entscheiden wird“, sagt Marti. Guardiola lässt derzeit nur seinen engsten Vertrauten-Kreis an seinen Gedanken teilhaben. Dass FCB-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wenige Minuten zuvor der Presse erklärte, dass er Guardiola nun doch bis zur Winterpause für seine Entscheidung Zeit gegeben habe, bestätigt nur noch mehr: Selbst die Bayern-Führung ist sich nicht wirklich ihres Trainers sicher. Umso besser ihre Einsicht: Guardiola unter Zeitdruck zu setzen, nur um den Bayern-Mitgliedern auf der Jahreshauptversammlung am 27. November eine Knaller verkünden zu können, wäre eine voreilig getroffene Absage nicht wert. Lieber eine frohe Botschaft zum Fest. Dann würde beim Bart des Propheten auch wirklich passen: „Ja ist denn heut‘ schon Weihnachten?“