Selfie-Reporter? Aber gerne! Ein Tag mit Boateng, Martinez, Can & Co
Persönlicher Fußball-Blog von Christian Falk - Fußball-Chef der BILD-Gruppe. Insider-Berichterstattung über den FC Bayern München und der DFB Nationalmannschaft.
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Selfie-Reporter? Aber gerne! Ein Tag mit Boateng, Martinez, Can & Co

Selfie-Reporter? Aber gerne! Ein Tag mit Boateng, Martinez, Can & Co

München, Mittwoch vergangener Woche. Noch sind es exakt sieben Tage bis die nächste Ausgabe der SPORT BILD erscheint. Doch für die Berichterstattung zum FC Bayern sind bereits heute die entscheidenden Termine – und die sind eng getaktet. Um 9.55 Uhr erwartet meinen Kollegen Tobias Altschäffl (@altobelli13) und mich der erste Gesprächspartner vor dem Bayern-Training an der Säbener Straße.

Kürzlich habe ich ein Interview mit dem BILD-Kollegen Paul Ronzheimer gelesen, der sich dagegen verwehrt als „Selfie-Journalist“ bezeichnet zu werden. Ich verstehe natürlich, was er meint. Kein Reporter möchte sich darauf reduziert sehen, dass er sich neben den Stars knipst. Dennoch habe ich dazu eine andere Meinung. Die Fotos dokumentieren den Lesern, wie nah wir den Protagonisten bei der Recherche kommen. Schlimmer als einen vermeintlichen „Selfie-Journalisten“ empfinde ich die „Schreibtisch-Täter“, die kritisch aus dem gemütlichen Bürostuhl berichten, ohne den Protagonisten je von Angesicht zu Angesicht ihre Fragen gestellt zu haben. Selfie-Reporter? Aber gerne! Ein Tag mit Boateng, Martinez, Can & Co

In der Bayern-Kantine warten wir auf Javi Martinez, als ich Lukas Podolski auf dem Rasen laufen sehen. Auch die deutsche Nationalmannschaft trainiert heute auf dem FCB-Gelände. Herzlich umarmt der Galatasaray-Profi Bayerns Co-Trainer Hermann Gerland, den er noch aus seinen Münchner Zeiten kennt. Keine 100 Meter weiter jongliert Pep Guardiola mit dem Ball, Lukas beobachtet ihn fasziniert. Heute haben Podolski und ich keine gemeinsame Verabredung. Also kein Selfie. Ich winke Poldi und knipse ein Foto.

Telefonat in der Bayern-Kantine beim Warten auf Javi Martinez

Telefonat in der Bayern-Kantine beim Warten auf Javi Martinez

Poldi begrüßt Gerland und beobachtet Gardiola

Poldi begrüßt Gerland und beobachtet Guardiola

Javi kommt ein bisschen verspätet, so kennen wir ihn. Einmal hatte er meinen Termin ganz vergessen, weshalb wir uns statt am vereinbarten Treffpunkt später in der Nähe seines Hauses in Grünwald noch einmal verabreden mussten. Er hatte sich einfach zum Schlafen hingelegt und das Interview im wahrsten Sinne des Wortes verpennt. Einem Spanier verzeiht man das gerne, zumal Javi auch ansonsten ein lockerer Typ ist. Sein Haus hat er immer voll mit Freunden aus der Heimat, die stets auf ihn warten. „Heute kommen Freunde zu Besuch“, sagt er auch diesmal mit verschmitzten Grinsen.

In unserem heutigen Interview soll ausnahmsweise nicht er im Mittelpunkt stehen, sondern sein Verteidiger-Kollege Jerome Boateng. Dennoch bleibt Zeit, um auch persönliche Dinge mit ihm zu besprechen. Javi erzählt uns, dass er sowohl vor wie nach dem Training über eine Stunde extra trainieren muss. Er weiß, dass er nie mehr das Knie haben wird, wie vor seiner Verletzung. Dennoch macht er diese Zusatz-Arbeit gerne, er sei dadurch professioneller geworden, sagt er. Es ist ihm anzusehen, wie glücklich er ist, gleich mit seinen Kollegen wieder auf den Trainingsplatz stehen zu dürfen. Ein Phänomen, dass ich schon bei Holger Badstuber erlebt habe. Profis mit schweren Verletzungen wissen mehr als andere zu schätzen, was sie an ihrem Beruf haben. Und wie schnell es damit vorbei sein kann.

Nach 20 Minuten ist das Gespräch beendet. Wir bitten Javi, dass er diesmal ein Selfie für uns macht. Er lacht, denn das ist auch einmal für ihn etwas neues. Sein erstes eigenes Foto in SPORT BILD – er schnappt mein Handy und drückt ab.

Javi Martinez knipst ein Selfie. Daneben mein Kollege Tobias Altschäffl

Javi Martinez knipst ein Selfie. Daneben mein Kollege Tobias Altschäffl

Einen Raum weiter beginnt gleich die Presse-Konferenz von Karl-Heinz Rummenigge zur Klima-Allianz des FC Bayern mit der bayerischen Staatsregierung. Den Bayern-Vorstandsvorsitzenden fragen, ob er ein Selfie machen will? Besser mal nicht. Rummenigge hat extra eine grüne Krawatte angezogen. Ob er sich das bei Markus Söder abgeschaut hat? So vorbildlich das Anliegen Umwelt auch ist, mehr als die Glühbirnen der Allianz Arena interessieren an diesem Tag die Verstrickungen von Ehrenpräsident Franz Beckenbauer in den DFB-Schmiergeld-Skandal um die WM 2006. Rummenigge muss den Reportern viele Fragen beantworten, bevor er das neue Trikot mit der Nummer 33 präsentiert. Kurz darauf bekommt Mario Gomez im DFB-Mannschaftsbus eine SMS…

Karl-Heinz Rummenigge vergibt die Rückennummer von Mario Gomez neu

Karl-Heinz Rummenigge vergibt die Rückennummer von Mario Gomez neu

Mit dem Taxi geht es von der Säbener Straße zum DFB-Hotel am Münchner Tucherpark. In der Lobby läuft uns Mario Gomez entgegen. „Willkommen zurück!“, begrüße ich den Ex-Bayern-Spieler, den ich seit dem Triple-Sieg 2013 nicht mehr gesehen habe.“Hast Du schon mitbekommen, dass Rummenigge Deine alte Bayern-Nummer 33 vergeben hat?“, scherze ich. Gomez stutzt, weshalb ich ihm erkläre, dass der Bayern-Boss die Nummer 33 für das Trikot zur Klima-Allianz auf dem Trikot wählte, weil die Münchner der 33 Partner des Bayerischen Staatsministerums bei der Umwelt-Aktion sind. Daraufhin muss der Besiktas Stürmer lachen. „Jetzt verstehe ich das! Ein Freund hat mir schon eine ähnliche SMS geschickt, dass ich bei Bayern einen Nachfolger hätte…“ Daraufhin gebe ich Gomez noch die aktuelle SPORT BILD mit. „Das Thema dürfte Dir nämlich bekannt vorkommen…“, sage ich ihm und zeige auf den Artikel „Knatsch bei Bayern“ zwischen Robben und Lewandowski. So wie Lewy beschwerte sich auch Gomez einst bei Bayern, dass die Zuspiele von den Flügeln oft ausblieben. Zu der Zeit hatte sich Arjen Robben im Team den Spitznamen „Aleinikov“eingehandelt, der auch in dem Artikel angesprochen wird. Gomez sagt dazu nichts, grinst aber und steckt die Ausgabe ein.

Noch ein alter Bekannter begegnet uns mit Emre Can, den ich vor kurzem noch in Liverpool besucht habe. Can ist ebenfalls ein Ex-Spieler vom FC Bayern. Wir reden kurz über Jürgen Klopp und die Fortschritte an der Anfield Road, auch wenn das letzte Spiel gegen Crystal Palace mit 1:2 verloren ging. „Jeder kann sehen, dass bei uns etwas neues passiert und sich entwickelt“, sagt Can, bevor er sich verabschieden muss. Aber vorher bitten wir ihn mitzumachen – beim Selfie-Tag!

Selfie mit Emre Can im DFB-Mannschaftshotel Hilton am Tucherpark

Selfie mit Emre Can im DFB-Mannschaftshotel Hilton am Tucherpark

Der zweite Interview-Partner an diesem Tag kommt ebenfalls zu spät. Doch Jerome Boateng kann dafür nichts. Die Nationalmannschaft hat länger trainiert. Der Verteidiger war sogar schon mit Manuel Neuer voraus gefahren, um noch eine Zusatz-Einheit vor dem offiziellen Training zu schieben. Als Jerome die SPORT BILD-Ausgabe mit Thomas Müller auf dem Cover erblickt, welche die Abwerbungsversuche der Premiere-League-Klubs unserer Stars thematisiert, sagt er locker: „Der geht sicher nicht weg!“ Sein Kommentar wird der Einstieg zur kommenden Hauptgeschichte werden.

Wir müssen uns ein wenig beeilen, Jogi Löw möchte seine Nationalspieler pünktlich zum Mittagessen um 13.30 Uhr an den Tischen sitzen sehen. Jerome bekommt wegen seinen vielen Termin-Anfragen ein paar Extra-Minuten. So kompromisslos er auf dem Rasen zu Werke geht, so höflich ist er im Gespräch. Wir erzählen ihm, wie sehr ihn zuvor sein Kollege Javi Martinez für sein Spiel geadelt hat: Keiner würde den ersten Pass so gut spielen wie Boateng. Jerome ist sichtlich beeindruckt von Javis Worten. „Schön so etwas von ihm zu hören“, sagt er, während er sich nachdenklich in den Sessel zurücklehnt. Von einem Kollegen derartige Anerkennung zu bekommen, muss er erstmal verarbeiten. Dann erwidert er die Komplimente: „Wir freuen uns natürlich auch, dass Javi wieder fit ist. Auf Dauer brauchen wir jeden, gerade wenn es in der Champions League wieder ernst wird.“

Nun ist auch für diesen Termin Schluss. Wir bitten – wie zuvor Javi – auch Jerome, dass er ein Selfie für uns macht. Er drückt ab, verwackelt den Schuss aber ein wenig. Einem Verteidiger darf das schon mal passieren.

Jerome Boateng knipst diesmal das Selfie – und verwackelt leicht

Jerome Boateng knipst diesmal das Selfie – und verwackelt leicht

Die Vor-Gespräche sind für diesen Tag beendet – nun beginnen die kleinteiligen Recherchen für Reportage und Interview. Zahlen, Daten, Fakten suchen und prüfen. Das sind Dinge, die auf den Selfies nicht zu sehen sind. Dafür sind ja auch die Texte da. Zu lesen am Mittwoch in der aktuellen Ausgabe von SPORT BILD.