22 Sep Werner: „Ich wollte niemanden beim FC Bayern bloßstellen“
Der Termin hat sich den Tag über immer ein wenig verschoben. Timo Werner war am Vortag nach dem Match mit Chelsea zur Dopingprobe ausgelost worden, kam erst eine Stunde nach seinen Mitspielern nach Hause. Am nächsten Tag nach dem Training musste er zur Behandlung. Der Zoom-Call kommt daher ein wenig kurzfristig, als ich am Abend beim Kreisklasse-Spiel meines Sohnes am Spielfeldrand stehe. „Ich habe sogar noch mein Trainings-Shirt an, tut mir leid“, entschuldigt sich Timo. Ich entschuldige mich ebenfalls für die Sportplatz-Atmosphäre und gebe ihm den aktuellen Stand des C-Klassen-Derbys durch. Mein Sohn liegt hinten. „Ich drücke die Daumen“, sagt Timo. Dann können wir loslegen.
Ich finde, das Dress der Blues steht ihm gut. Gerne hätte ich ihn aber natürlich auch im roten Dress des FC Bayern gesehen. Dazu kam es aber bekanntlich nicht. Auch Timo ist klar, dass die Frage kommen wird, warum es mit einer der heißesten deutschen Stürmer-Aktie dieses Transfer-Sommers und dem deutschen Rekordmeister am Ende nie geklappt hat.
„Das Thema FC Bayern schwang bei mir medial ja immer mit“, sagt Timo und lächelt meinen Kollegen Tobi und mich an. Er weiß ja: auch wir haben es befeuert. Allerdings weiß er auch: Sein Berater Karl-Heinz Förster stand mit den Bayern-Bossen über ein Jahr in ständigem Kontakt. Im Sommer 2019 zog Bayern zurück. Im Sommer 2020 winkte Werner von sich aus ab, bevor es noch einmal heiß werden konnte. Es gab Stimmen für ihn im Klub, aber auch mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic eine entscheidende dagegen. Dass Werner öffentlich in einem Interview den Münchner mitteilte, er wolle ohnehin nicht nach München, sondern lieber ins Ausland, stieß dennoch bei Bayern auf ein wenig Ärger und viel Unverständnis. So eine Absage hatte der Klub noch nie erlebt.
„Ich wollte niemanden beim FC Bayern bloßstellen, das war wirklich nicht meine Absicht“, versichert uns nun Timo. „Ich wollte das Thema Bayern und Werner einfach für mich abschließen. Ich glaube sowohl für Bayern und auch mich war zu diesem Zeitpunkt einfach klar, dass wir in den nächsten drei, vier Jahren nicht zusammenkommen werden.“
Eine Frage muss zum Thema Bayern noch kommen: Hatte es ihn aber nicht erschreckt, als Chelsea in der Champions League derart chancenlos gegen den FC Bayern ausgeschieden war (0:3; 1:4)?
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde es wäre nicht so gewesen. Die 0:3-Heimspielniederlage von Chelsea im Hinspiel gegen Bayern hatte nicht gerade dafür gesprochen, dass ich nach London gehen sollte“, “, gesteht Werner. „Das muss ich offen so sagen, denn mit Leipzig hatten wir immer sehr gute und enge Partien gegen Bayern geliefert.“ Chelsea sei bei dem 0:3 tatsächlich ziemlich chancenlos gewesen, dennoch habe man bei der Partie sehen können, wo die Fehler lagen und dass man sie schnell abstellen kann. Werner: „Dadurch, dass Chelsea die Schwachstellen aufgezeigt wurden, konnte der Klub an den Puzzleteilen arbeiten, um zu dem späteren Champions-League-Sieger FC Bayern in Zukunft aufzuschließen. Das hat Chelsea getan.“
Womit wir nun zu dem anderen Thema kommen können: Die Chelsea-Agenten.
Ich hatte früh getwittert, dass Chelsea-Verteidiger Antonio Rüdiger sich hinter den Kulissen dafür einsetzte, damit Werner nach London wechsle. Im Internet nahm der Vorgang nach dem Tweet schnell Fahrt auf. Mit dem Ergebnis: im Netz bekam Rüdiger den Spitznamen „Agent Toni“.
Auf die Frage, ob Timo die Entwicklung von Verteidiger Rüdiger zu Agent Toni mitbekommen hat, muss der Stürmer nun wirklich laut auflachen. „Das ist wirklich witzig und nicht unberechtigt“, bestätigt Werner die geheime Mission von 00Rüdiger. Für ihn sei Toni wirklich ein wichtiger Ansprechpartner gewesen. Mit seiner Rekrutierung sei der Chelsea-Profi sehr früh dran gewesen.
„Als ich erstmal seinen Namen auf meinem Handy aufblinken sah, wusste ich schon, in welche Richtung das gehen würde“, bestätigt Werner. „Toni machte mir sofort klar: Ich will Dich unbedingt bei uns in der Mannschaft haben, Du passt perfekt zu uns! Das ist bei einem Wechsel schon ein gutes Grundgefühl.“
Tatsächlich warb Rüdiger seinen Kollegen nicht nur an, er bildetet Werner umgehend auch aus. Schon bald darauf hatte „Agent Timo“ seine erste eigene Mission beim Transfer von Kumpel und DFB-Kollege Kai Havertz.
Werner gibt offen seine Agenten-Tätigkeit zu, als die Tarnung nun auffliegt: „Als ich dann in dann aus den Medien erfahren habe, dass der FC Chelsea an ihm dran war, habe ihm einen Wechsel natürlich sofort schmackhaft gemacht. Da ich ja schon ein paar Wochen vor ihm dran war, konnte ich Kai schildern, was der Trainer für einen Plan mit uns beiden hat, falls er sich für uns entscheidet.“ Offenbar wollte Agent Toni die heikle Mission Werner nicht ganz allein überlassen. Werner schmunzelt, bevor er ebenfalls einräumt: „Ich bin mir aber auch sicher, dass auch bei Kai Agent Toni seinen Job gemacht hat…“
Die deutschen Chelsea-Boys sind nun ein Trio. Werner hat ein Stadtnahes Appartement bei der Stamford Bridge gefunden. Wie ernst Agent Toni seine Mission nimmt, zeigt ein weiterer geheimer Vorgang. Wohnte Rüdiger zuvor noch in der Nähe des Trainingsgeländes Cobham im Süden von London, zog er nun in die Innenstadt zurück. Werner nimmt an, da draußen wäre es dem Kollegen dann doch zu ruhig gewesen.
Die Wahrheit könnte aber eine andere sein: Agent Toni beschattet seine deutschen Kollegen aus nächster Nähe, um ihre Integration genau zu überwachen.